Habenhausens Bayern-Gen
Der ATSV will zurück in Liga drei – er orientiert sich am Münchner „Mia san mia“
Bremen. Matthias Ruckh gibt ein Beispiel. Seine Spieler Björn Wähmann und Lino Hintke würden beide bei der Feuerwehr arbeiten. Zum Oberliga-Spitzenspiel zweier Drittliga-Absteiger beim VfL Fredenbeck seien beide Handballer des ATSV Habenhausen, trainiert von Ruckh, quasi direkt von der Schicht angereist. Nach dem Spiel sei es für das Duo gleich wieder zur nächsten Schicht gegangen. Wobei Lino Hintke das dann doch nicht gemacht habe, er sei stattdessen mit seiner Partnerin in die Klinik gefahren. Die Wehen hatten eingesetzt.
Björn Wähmann und Lino Hintke sind wichtige Kräfte beim ATSV, sie konnten so direkt nach der Schicht nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte sein. Die Mannschaft aber habe das aufgefangen, sie habe sich von diesem unbedingten Siegeswillen nicht abbringen lassen, sagt der Trainer. Das zeichne die aktuelle Mannschaft aus. Der ATSV Habenhausen holte in Fredenbeck in der zweiten Halbzeit einen Fünf-Tore-Rückstand noch auf und gewann schließlich 28:27. „Von der Homogenität her“, sagt Matthias Ruckh, „sind wir noch besser als in der vergangenen Saison.“ Es sei in dieser Beziehung „die wohl die stärkste Gruppe der letzten Jahre“. Was das reine Leistungsniveau anbelangt, sieht Ruckh wenig bis keine Unterschiede im Vergleich zur letzten Saison.
Mit diesem Teamgeist will Bremens beste männliche Handball-Mannschaft in nächste Spitzenspiel gehen. Es folgt bereits am Sonnabend (20.30 Uhr), es reist der wohl härteste Konkurrent nach Habenhausen an. Wie der ATSV war auch der TV Cloppenburg aus der 3. Liga abgestiegen und ist bislang – inklusive eines Erfolgs gegen Fredenbeck – ohne Ausrutscher durch die Oberliga-Saison marschiert. Sieben Spiele, sieben Siege. Nicht alles, aber viel wird an dieser Partie am Sonnabend hängen. Nur der Meister darf aufsteigen und zurück in Liga drei.
Das ist das große Ziel des ATSV Habenhausen, das haben sie dort nach einer unglücklichen Drittliga-Saison mit einer immer länger werdenden und nie abreißenden Kette von Verletzungen sofort verkündet. „Wir betreiben denselben Trainings- und Leistungsaufwand wie in der 3. Liga“, sagt Matthias Ruckh. Viermal pro Woche kämen die Spieler zum Handball- und zusätzlich noch zum Krafttraining. Diese Art des semiprofessionellen Arbeitens würde dem Team gewisse Vorteile im Vergleich zu vielen anderen Oberligisten bringen, sagt der Trainer. Andere Mannschaften würden nur zweimal wöchentlich trainieren können. „Die brauchen dann fürs Einstudieren eines neuen Spielsystems vielleicht zweieinhalb Wochen“, schätzt Ruckh, „wir brauchen nur anderthalb.“
Sein Team, das 21 Spieler im Kader führt, sechs Spieler aus der vergangenen Saison verloren, aber sieben neue Spieler dazugewonnen hat, war in der Abstiegssaison selten bis nie als Favorit aufs Parkett gelaufen. Das hat sich – zwangsläufig – komplett geändert. „Bisher wurden wir immer als der klare Favorit angesehen“, sagt Ruckh mit Blick auf die ersten Spiele in der vierten Liga. Diese Rolle würden seine Spieler aber annehmen. Von Sieg zu Sieg sei das Selbstvertrauen gewachsen und so etwas wie ein FC-Bayern-Gen in der DNA der Mannschaft entstanden. So beschreibt es der langjährige Trainer. Gemeint ist die Mia-san-mia-Mentalität, die den Fußballprofis aus München nachgesagt wird und die in den Spielerköpfen keinen Raum für Zweifel daran lassen soll, dass man als Sieger das Spielfeld verlässt.
So sehr, wie ein Sieg am Sonnabend in der Hinni-Schwenker-Halle am Bunnsackerweg den Verein dem Aufstieg näher bringen würde, so sehr würde im Falle des Misserfolgs der hochgelobte Teamgeist auf die Belastungsprobe gestellt werden. Es müsste sich zeigen, ob er stabil genug ist, um Rückschläge gut wegstecken zu können. Nach dem Spitzenspiel gegen Cloppenburg sind immerhin noch mehr als zwei Drittel der Saison zu absolvieren. Ein Rückspiel in Cloppenburg ist auch darunter.
Veröffentlicht im Weser Kurier am 02.11.2022, geschrieben von Olaf Dorow.