Allgemeine Verärgerung
Der ATSV Habenhausen rutscht nach dem 27:30 gegen die Bundesliga-Reserve des TuS Nettelstedt unaufhaltsam in Richtung Abstiegsrunde. Gegen LIT 1912 II musste Björn Wähmann früh mit einer Roten Karte vom Feld.
Die eifrigen Trommler allein können es für den ATSV Habenhausen am Spielfeldrand nicht richten. So sehr sie sich als Stimmungsmacher auch ins Zeug legten: Von der ziemlich leeren Zuschauertribüne in der Halle am Bunnsackerweg, auf der wegen der Corona-Pandemie fast ausschließlich Spielerfrauen mit ihren kleinen Kindern saßen, war nicht die Unterstützung zu erwarten, die dem Drittligisten aus Bremen gegen die Handball-Spielgemeinschaft LIT 1912 II vielleicht zur Wende verholfen hätte. Nach einer weitgehend schwachen Vorstellung zog der ATSV mit 27:30 (11:16) den Kürzeren und muss sich mehr und mehr damit anfreunden, den Klassenerhalt ab dem Frühjahr nicht auf direktem Weg, sondern über die Abstiegsrunde zu realisieren.
Hinter der Bezeichnung LIT 1912 verbirgt sich der im Juli 2020 gegründete Zusammenschluss der vier Stammvereine TV Germania Nordhemmern, RSV Mindenerwald, VfB Holzhausen II und TuS Nettelstedt – und damit die zweite Mannschaft des Bundesligisten TuS Nettelstedt-Lübbecke. Das ist auch deshalb wichtig zu erwähnen, weil sich zweite Teams eines Vereins mit hochkarätigen Spielern verstärken können, wenn das erste Team nicht spielt. „Wegen der EM-Pause in der Bundesliga haben wir damit auch gerechnet“, sagte ATSV-Kapitän Björn Wähmann.
So kamen bei den Gästen mit Marvin Mundus (10 Tore/davon 3 Siebenmeter) und Marek Nissen (4) zwei Akteure mit Bundesliga-Erfahrung zum Einsatz, die am Ende den Unterschied ausmachen sollten. „Die beiden haben die Tore gemacht, die wir nicht gemacht haben“, sagte der unzufriedene Matthias Ruckh. Der ATSV-Trainer bescheinigte seinen Schützlingen „eine miserable Leistung“ – und den beiden Schiedsrichtern gleich mit. Normalerweise lasse er sich öffentlich nicht über die Unparteiischen aus, aber am Sonntag fühlte er sich von diesem Duo bereits zum zweiten Mal stark benachteiligt. Schon nach knapp 20 Minuten der Partie hatte Ruckh seine Meinung so lautstark kundgetan, dass er als Antwort prompt die Gelbe Karte sah.
In der Tat pfiffen die Schiedsrichter in der ersten Halbzeit einige Male unglücklich gegen die Gastgeber, doch spielentscheidend waren andere Faktoren. „Wir haben keinen Zugriff auf den Gegner bekommen, haben ihn einfach schießen lassen und waren viel zu passiv“, bekannte Björn Wähmann selbstkritisch. Der Kapitän selbst war vielleicht sogar ein bisschen zu aktiv, denn schon in der 36. Minute erhielt er nach seiner dritten Zwei-Minuten-Strafe die Rote Karte. Damit war den Habenhausern in Angriff und Abwehr früh ein Schlüsselspieler genommen, der aufgrund der personellen Probleme – nach wie vor fehlen die langzeitverletzten Mittelangreifer Bjarne Budelmann und Janik Schluroff – nicht zu ersetzen war.
Noch drastischere Worte für die Leistung fand René Steffens, der eigentlich Grund zum Feiern gehabt hätte. Erstmals nach 21-monatiger Zwangspause stand der Torwart ab der 39. Minute beim Spielstand von 14:19 wieder zwischen den Pfosten – es sollte ein Comeback werden, bei dem der Frust des Keepers größer war als die Freude über die Rückkehr. „Ich hätte drei, vier Bälle mehr halten müssen“, räumte er ein. Aber vor allem in der ersten Halbzeit sei der Auftritt der kompletten Mannschaft „blutleer“ gewesen. „Wir hatten kein Herz, keine Emotionen – so dürfen wir uns nicht präsentieren.“ Bei allem Ärger über die Niederlage freute sich Matthias Ruckh aber über den Auftritt von René Steffens. „Wahnsinn, dass er sich nach so langer Pause wieder zurückgekämpft hat. Das zeigt, welch großer Sportler er ist.“
Gegen LIT 1912 reichten Steffens‘ Qualitäten ebenso wenig wie die seiner Teamkameraden. Dabei nahm das Unheil aus Sicht der Gastgeber bereits nach dem 2:2 durch Felix Meier (4.) Gestalt an, denn in den nächsten fünf Minuten zogen die Nettelstedter unbehelligt auf 7:2 davon. Fünf Tore Rückstand bedeuten im Handball eigentlich keine Vorentscheidung. Doch die weitgehend zugriffslosen Habenhauser schafften es lange Zeit nicht, zu verkürzen. Immer dann, wenn die Gäste im Angriff ihre leichten Tore nicht machten – was selten der Fall war –, nutzte der ATSV seine Möglichkeiten nicht.
Spielbericht aus dem Weser Kurier
Veröffentlicht im Weser Kurier am 10.Januar.2022. Geschrieben von Jörg Niemeyer.